Die Ursachen der Multiplen Sklerose im Fokus der Wissenschaft

Veröffentlicht
Feb 26, 2024
Die Multiple Sklerose (MS) stellt nach wie vor eine der rätselhaftesten neurologischen Erkrankungen dar. Die Diskussion über die Ursachen führt uns in ein Spannungsfeld zwischen genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen. In dieser Debatte gab es in jüngster Zeit eine faszinierende Wendung, die den Fokus auf das Epstein-Barr-Virus (EBV) lenkt. In Kooperation mit dem renommierten Wissenschaftler Orhan Aktaş werfen wir einen Blick auf bahnbrechende Studien, die zeigen, dass eine Infektion mit EBV eng mit dem Risiko für die Entwicklung von MS verbunden ist.

Die Ursachen der Multiplen Sklerose (MS) im Fokus der Wissenschaft

Die Diskussion über die Ursachen von Multipler Sklerose (MS) teilt die wissenschaftliche Gemeinschaft in zwei Lager: Die einen betonen genetische Faktoren als entscheidend, während die anderen Umweltbedingungen, einschließlich äußerer Naturfaktoren und Erregern wie Viren oder Bakterien, als maßgeblich für das MS-Risiko sehen.
In zwei beeindruckenden Studien, die Anfang 2022 veröffentlicht wurden, rückt die Umwelttheorie in den Vordergrund. Bjornevik et al. berichteten in Science, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) bei Erwachsenen dem Ausbruch von MS vorausgeht. Bereits zum Zeitpunkt der EBV-Infektion sind molekulare Zeichen einer Immunattacke gegen das Gehirn nachweisbar, lange bevor der erste MS-Schub auftritt [1]. Eine Nature-Studie von Lanz und Kollegen erklärt, dass Antikörper, die gegen das EBV-Protein EBNA1 gerichtet sind, eine Kreuzreaktion mit dem Nervensystem zeigen, was zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion gegen das Gehirn führt [2].
Diese Erkenntnisse bestätigen die lange vermutete EBV-Hypothese der MS. Das Epstein-Barr-Virus ist zwar kein notwendiger, aber ein hinreichender Faktor für die Entwicklung von MS. Etwa 95% der Menschen durchlaufen eine EBV-Infektion, aber nicht alle erkranken an MS. Dennoch hatten 100% der MS-Betroffenen eine EBV-Infektion.

EBV als therapeutischer Ansatz

Eine vielversprechende Entwicklung in der MS-Forschung ist die mögliche therapeutische Ausrichtung auf das Epstein-Barr-Virus. Eine kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung berichtet von einer Studie, bei der Immunzellen (ATA188) umprogrammiert wurden, um EBV-infizierte Immunzellen im Körper von MS-Betroffenen gezielt zu erkennen und zu eliminieren [3].
Die Ergebnisse dieser Studie wecken Hoffnungen für eine ursächliche MS-Therapie. Die mit ATA188 behandelten Patienten zeigten sogar neurologische Verbesserungen. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse ist jedoch Vorsicht geboten. Die Datenlage basiert auf einer kleinen Phase-I-Studie mit 24 MS-Betroffenen, bei der verschiedene ATA188-Dosierungen getestet wurden. Die Nachbeobachtungsphase war mit 15 Monaten vergleichsweise kurz, und es fehlte eine echte Kontrollgruppe.

Herausforderungen und Zukunftsausblick in der MS-Therapie

Die vorläufigen Ergebnisse müssen mit Zurückhaltung betrachtet werden, da Phase-I-Studien in ihrer Machart oft Schwierigkeiten aufweisen. Eine wahre Beurteilung des Therapieeffekts ist ohne Vergleich mit unbehandelten Patient*innen oder einer Standardtherapie schwierig.
Die Hoffnung ruht nun auf der laufenden Phase-II-Studie (EMBOLD), die auch eine Placebo-Gruppe einschließt und eine Nachbeobachtungsphase von bis zu fünf Jahren vorsieht. Die Ergebnisse dieser Studie werden zeigen, ob der vielversprechende Therapieansatz die Erwartungen erfüllt und eine ursächliche MS-Behandlung möglich wird.
In Zusammenarbeit mit Orhan Aktaş bleibt zu hoffen, dass diese Entwicklungen einen Durchbruch in der MS-Therapie bedeuten und die Grundlagen für zukünftige erfolgreiche Behandlungen legen können.
 
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von Prof. Dr. Sven Meuth

Quellen: