Von der MS-Odyssee zur Akzeptanz: Ein persönlicher Leitfaden für Diagnose, Ernährung und Erfahrungsaustausch

Veröffentlicht
Oct 19, 2023
„Mach dir keine Sorgen. Dieses Jahr entscheidet über alles.“ Dieser Satz sollte mich aufmuntern. Ich war in der letzten Phase der experimentellen Arbeit meiner Promotion. Gestresst, frustriert, enttäuscht, aber auch ehrgeizig. Aufgeben war keine Option, aber ich wusste, es wird hart.

ABER SO HART!

In der Endphase meiner Laborarbeit hatte ich einen Schub, der mich aus meiner Arbeit rausriss. Zu der Zeit habe ich 10-12 Stunden und teilweise 7 Tage die Woche im Labor verbracht. Hinzu kam der Verlust eines geliebten Menschen. Obwohl ich gespürt habe, dass ich mich überarbeitet habe und emotional am Tiefpunkt war, konnte ich nicht aus dem Teufelskreis entfliehen. Ich musste ja nur funktionieren und die letzten Meter sind doch bald geschafft! Mein Körper sah das aber anders. Meine Füße wurden taub und kribbelten. Ab und zu, später ständig. Ich konnte aber noch laufen, also bin ich trotzdem ins Labor gegangen. Klar war ich besorgt. Aber ich bin nicht der Typ, der wegen „Kleinigkeiten“ zur Arztpraxis rennt. Dachte, das verschwindet schon wieder.

Von wegen!

“Weder die Krankheit noch meine Promotion hatte ich im Griff.”
Nach etwa 10 Tagen stand ich wie betäubt vor der Notaufnahme. Nahezu mein ganzer Körper war befallen. Ich litt noch dazu an einer besorgniserregenden Verhärtung des Oberkörpers, die mir das Atmen erschwerte. Ich wurde freundlich aufgenommen (eigentlich dachte ich, ich könnte wieder nach Hause). Nach zig Untersuchungen waren sich die Ärzte sicher. Ich habe MS: chronische Entzündung des zentralen Nervensystems, unheilbar, aber gut mit lebbar. Das habe ich noch aus dem Gespräch mitgenommen. Denn in dem Moment wurde mir erst klar, dass ich einen recht ungesunden Lebensstil führte. Selbstliebe und Erholung waren einfach nicht drin...
Du denkst dir jetzt bestimmt: „Was ist mit der Krankheit? Bist du nicht schockiert?“. Um ehrlich zu sein: Nein. Denn…
  • …ich habe von der Krankheit noch nie was gehört.
  • …du siehst ja, mich beschäftigt und belastet etwas anderes im Leben.
  • …die Kortison-Stoßtherapie zeigte ihre Wirkung. Mir ging es viel besser als vorher!
  • …naja, ich glaube, ich habe mir auch eingebildet die Ursache zu kennen.
Nach zwei Stoßtherapien (die hatten es in sich!) und mit Restsymptomen bin ich meinem Alltag wieder nachgegangen. Naja, ich hab’s versucht. Ich war viel am Grübeln. Die Medikamentenwahl hat mich überfordert, die verbleibenden Symptome konnte ich nicht einordnen: schubförmig remittierend mit bleibenden Schäden oder doch schon progredient? Manchmal habe ich gedacht, die Beschwerden sind weg, aber die kamen plötzlich wieder und waren stärker, wenn ich gestresst war. Mit den Tagen habe ich eingesehen, dass die Krankheit viel Aufmerksamkeit benötigt. Ob mir das gepasst hat oder nicht. Denn sie hat mich nicht in Ruhe gelassen. Stechende Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Schwindel, schwache Blase, steifer Rücken. Ich war frustriert. Weder die Krankheit noch meine Promotion hatte ich im Griff.

Ich wollte das ändern.

Ich fing an zu recherchieren. Das ist dabei rausgekommen: mein persönlicher MS-Guide. Den möchte ich dir vorstellen.
  1. Kennenlernrunde: Unbekanntes schürt Angst. Besonders wenn man nicht davor weglaufen kann. Also habe ich sie mir bekannt gemacht. Was macht die MS? Wie wirken Medikamente und welche gibt es? Was kann ich selbst tun? Bei der Suche nach Antworten bin ich zum Beispiel auf den Begriff „Uhthoff-Phänomen“ gestoßen. Er beschreibt die vorübergehende Verschlechterung von Symptomen bei erhöhter Körpertemperatur. Puh, doch kein neuer Schub! Ich habe gelernt aus was Nervenzellen bestehen und wie wichtig Omega 3 ist. Fisch und Nüsse waren selten auf meinem Teller! Und dass das Gehirn neue Nervenzellen bilden und bestehende Nervenbahnen neu organisieren kann (Stichwort Neuroplastizität). Nice, keine Einbahnstraße! Dass unser zweites Hirn im Darm sitzt (Eat smart!). Welche Rolle Vitamin D spielt. Erfolgsgeschichten… So viele großartige Nachrichten! Ich habe verstanden, dass die Krankheit ganzheitlich betrachtet werden sollte und ich vieles selbst dafür tun kann. Wie das in der Praxis bei mir aussieht, zeige ich dir.
  1. Ernährungsumstellung: Ich habe schon immer gerne Die Ernährungs-Docs geschaut. Ich finde es faszinierend, wie diese Patienten nur durch eine angepasste Ernährung ihre Krankheit lindern können. Es gibt auch einen tollen Beitrag zu MS. Über meine Recherche bin ich auf das Buch Multiple Sklerose überwinden von George Jelinek gestoßen, das nur so vor Optimismus und Empowerment trotzt. Zu Recht! Ich habe mich zunächst an diese Ernährung gehalten. Verarbeitete Lebensmittel vermeiden, viel Fisch/Leinsamenöl, kein Fleisch, keine Milchprodukte. Keine große Umstellung. Ich mag Fisch und ich bin eh laktoseintolerant. Eine Diät ist es auch nicht. Im Gegenteil: Meine Ernährung ist ganz schön fettig! Ich stehe total auf Mandelmus, Nüsse, Avocados, Olivenöl und dunkle Schokolade. Erste positive Ergebnisse habe ich auch direkt gespürt: Kein Brainfog und Heißhunger mehr. An Gewicht habe ich auch nicht zugenommen. Und meine restlichen Symptome verschwanden langsam. Meiner Meinung nach aber zu langsam. Da kann Sport einen wichtigen Beitrag leisten, wie im Buch betont wird. Ich bin aber zu faul, also habe ich Alternativen gesucht. Und bin fündig geworden. (Versteh mich nicht falsch: Sport steht auf meiner (Warte)liste!)
    1. Glutenfrei: Für mich ein Game Changer. Hilft mir auch den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, weil ich seltener nach (alternativen) Mehlprodukten greife. Weißmehl hat einen hohen glykämischen Index, der dem von Traubenzucker nahekommt. Leere Kohlenhydrate brauche ich nicht.
    2. (Intervall)fasten: Der Verzicht auf Nahrung für eine lange Zeit bringt den Körper in eine Stresssituation (Hormesis). Dabei wird ein Recycling/Detox-Prozess auf Zellebene ausgelöst (Autophagie). Ich selbst tu das noch viel zu selten, aber die hohe Intensität, die ich einmal im Jahr im Fastenmonat Ramadan verspüre, ist wie ein Reset für mein Körper.
  1. Austausch: MS macht einsam. Versteh mich nicht falsch. Ich habe eine wundervolle Familie, Freunde und einen echt großartigen Doktorvater, die mich unterstützen. Dennoch fehlte mir der Austausch mit Gleichgesinnten. Multiple Sklerose hat viele Facetten und ich hatte besonders in der Anfangsphase zu wenig Erfahrung. Glücklicherweise kannte meine Schwester eine Person, die für mich ein offenes Ohr hatte. Nicht nur das. Ich konnte mich auch mit ihr über Erfolgsstrategien austauschen. Leider haben nicht alle dieses Glück. Umso mehr bin ich dankbar über die wundervolle Plattform aMStart, die nicht nur Neudiagnostizierte abholt, sondern auch Erfahrene unterstützt und miteinander vernetzt.
  1. Levidex: Eigentlich wäre dieser Punkt an erster Stelle, aber zu meiner Zeit als Neudiagnostizierte war die Applikation noch in der Entwicklungs-/Testphase. Knapp ein Jahr nach der Diagnose habe ich an der Studie teilgenommen und war einfach nur begeistert! Wenn du noch kein Freischaltcode von deiner Krankenkasse bekommen hast, dann rate ich dir, den noch zu besorgen! Die App ist so aufgebaut, dass du ein interaktives Gespräch führst, welches dich für ein Jahr begleitet und dir hilft, einen erfolgreichen Umgang mit der MS zu entwickeln. Du wirst auf mentaler und körperlicher Ebene unterstützt. Du lernst mit Schüben umzugehen, welche Ernährungsform hilft, wie du dich für Sport motivieren kannst, Stress reduzierst, ein positives Mindset bildest und vieles mehr.

„Dieses Jahr entscheidet über alles“

Das hat es für mich. Drei Jahre nach dieser Odyssee lebe ich nahezu beschwerdefrei und bin kurz vor meinem Abschluss. Der positive Umgang mit meiner MS hat mein Leben wirklich bereichert. Ich wünsche dir von Herzen, dass auch du deinen Weg mit ihr findest!
 
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von einer unserer Community-Autorinnen